Ein Zwilling profiliert sich

Im Süden der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz, genauer: im Stadtteil Kleinmünchen, findet sich seit kurzem ein augenfälliger Beleg dafür, wie gut bei einem Bauprojekt offensichtliche Kontraste letztlich doch miteinander harmonieren und ein stimmiges Ganzes ergeben können.
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Dabei stellte die Sanierung und Erweiterung dieser zunächst eher unscheinbaren Doppelhaushälfte für Architekt Markus Rabengruber und seine Kollegen vom örtlichen Architekturbüro Tp3 Architekten kein ganz einfaches Unterfangen dar. Der Mut zu einem Konzept abseits gängiger Standards wurde letztlich jedoch belohnt, stieß es doch bei den Bauleuten und deren Umfeld sofort auf ungeteilte Zustimmung. Und auch heute noch zeigen sich zufällig vorbeikommende Spaziergänger durchweg angetan vom Resultat der gut halbjährigen Bauarbeiten.

„Das ganze Gebäude war so in die Jahre gekommen, dass es einfach nicht mehr tragbar war!"

Der Dachstuhl war desolat, und weil es keine Wärmedämmung nach oben hin gab, ließ sich das Anwesen auch fast nicht mehr beheizen, es musste also diesbezüglich und auch in technischer Hinsicht dringend auf Vordermann gebracht werden. Wenn wir allerdings bereits in der Planungs-phase geahnt hätten, was da so alles auf uns zukommt, hätten wir den Bestandbau wahrscheinlich kurzerhand weggeschoben, denn der Zustand war schon grenzwertig“, resümiert Markus Rabengruber. Schon bei einer ersten Begehung hatte sich nämlich gezeigt: Nur einen kleinen Teil der vorhandenen Bausubstanz würde man belassen können, den Rest abtragen müssen.

Zwar hatte die Planung in erster Linie eine deutliche Erweiterung des vorhandenen Wohnraums zum Ziel, sie sollte jedoch noch ein weiteres Manko ausgleichen: Wegen seiner Ausrichtung nach Osten hin und auch wegen des üppigen Baumbestandes im vorgelagerten Garten fehlte dem Gebäude ab Mittag die Sonne, das ganze Haus war ab diesem Zeitpunkt relativ düster. Der Umbau sollte aber auch die verloren gegangene Symmetrie der vormals identischen beiden Doppelhaushälften wieder herstellen. Denn der Nachbar hatte Mitte der Achtzigerjahre sein Anwesen massiv erweitert, und die daraus resultierende gänzlich andere Dachneigung mündete, was die Optik betraf, letztlich in eine Disharmonie.

Schnell war klar: Der Nachbarsilhouette würde man sich nur mit einem Satteldach, dessen Neigung der des Pendants entspricht, anpassen können. Hinzu kam, dass die Baufrau die beiden vorhandenen Kachelöfen erhalten wollte. Den im Wohnzimmer stehenden hatten Albine Scharrer und ihr Lebensgefährte einbauen lassen, als sie im Jahr 2002 eingezogen waren. Der zweite, platziert in der Küche, gehörte zum vorhandenen Altbestand und sollte bleiben, weil er stets für ein besonderes Flair gesorgt und zudem gut funktioniert hatte.

Den gesamten Zugangsbereich überdacht

Tp3 Architekten haben also ein Konzept zu entwickelen, dass all diesen Rahmenbedingungen Rechnung tragen sollte. Sie erinnern sich: „Um das Raumprogramm erfüllen zu können, brauchten wir im Obergeschoss mehr Platz.“ Die Überlegung, den gesamten Zugangsbereich dieses lang gestreckten Gebäudes kurzerhand zu überbauen und ihn dadurch quasi zu überdachen, entstand nach Albine Scharrers Worten, letztlich in Gemeinschaftsarbeit. Sie erzählt: „Das Haus war irgendwann zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, vermutlich Anfang der Dreißigerjahre, gebaut worden und von der Substanz her nicht besonders hochwertig. Die Wände waren sehr dünn und nicht gedämmt, strahlten im Winter kalt ab – da konnte kein Wohlgefühl entstehen. Es war also klar: Wir würden eine Wärmedämmung brauchen.“ Im Zuge des anstehenden Umbaues sollte dann auch gleich die vorhandene Gasheizung auf den aktuellen technischen Stand gebracht und die Wohnfläche von ursprünglich 138 qm deutlich vergrößert werden: „Ich wollte eine Speisekammer und zudem einen Raum für mich, in dem ich meine Sachen auch mal liegen lassen kann.“ Als Markus Rabengruber der in einer Energiefirma beschäftigten Baufrau schließlich sein Konzept präsentierte, erntete er begeisterte Zustimmung: „Ich hatte ein Modell im Maßstab 1:100 gebaut, und das haben wir dann eins zu eins so umgesetzt, es gab praktisch keine Korrekturen. Der Erst-entwurf war’s schon, was selten ist, zumal die Kosten doch höher waren als ursprünglich veranschlagt.“ Albine Scharrer bestätigt: „Ja, das hat uns gleich angesprochen. Offensichtlich waren unsere Vorstellungen beim Architekten gut angekommen.“

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In der Küche fehlte der Unterbeton

Nachdem die Bewohner interimsweise ausgezogen waren, begann im April der gut halbjährige Umbau mit dem Abriss des gesamten ersten Stocks einschließlich des maroden Dachstuhls. Dabei gab es so manche Überraschung: Aus der gemeinsamen Mittelmauer mit dem Nachbarn brachen beim Abbruch Teile heraus, und auch die Küche ließ sich nicht wie geplant sanieren. Der Grund: Der Unterbeton unter dem Estrich fehlte, er war seinerzeit also auf blankem Lehm verlegt worden. Also musste erst einmal alles ausgekoffert und ein neuer Bodenaufbau bewerkstelligt werden. Zudem galt es, die sehr brüchige Fundamentierung unterhalb des Wohnzimmers zu verstärken. Letztlich erhielt das Anwesen ein zum Garten hin auskragendes Obergeschoss in Holz, das die Wohnfläche um 40 qm vergrößert und im Verbund mit der Fassadenverkleidung aus Titanzink nun einen prägnanten „Einschub“ bildet, wobei der auf null auslaufende Dachvorsprung den Symmetriegedanken aber ausdrücklich wieder aufnimmt. Resultat ist eine zwar völlig eigenständige Doppelhaushälfte, die von der Straße aus nun aber wieder unverkennbare Ähnlichkeiten mit dem benachbarten „Zwilling“ aufweist.

Ein Material, das sich verändert – wie ein Mensch

Bei der vor Wettereinflüssen geschützten Gartenfassade, die um einige Grad nach vorne geneigt ist, um in Kombination mit der Schräge des Daches dem gesamten Bau eine neue Einheit zu verleihen, tritt das Holz absichtlich in Erscheinung. Dort, wo Regen und Schnee auf die Fassade treffen, wird es von Titanzink umhüllt, einem Werkstoff, für den Markus Rabengruber große Sympathie hegt: „Wir wollten ganz bewusst etwas, das nicht gleich bleibt, sondern eine Patina ansetzt. Mir gefällt, dass sich dieses Material verändert, dass es abstumpft und dadurch samtiger wird, dass es einen Alterungsprozess durchläuft wie ein Mensch, der ja auch nicht immer gleich ist.“

Tatsächlich nehmen die verwendeten Rheinzink-Produkte im Laufe der Zeit eine natürliche Patina an, welche die positiven Oberflächen-Eigenschaften jedoch nicht beeinträchtigt. Titanzink gilt als langlebig und wartungsfrei, ist vollständig recycelbar, klimaresistent und bruchfest. Der natürliche Werkstoff lässt sich nach Rabengrubers Worten sowohl bei der Fassaden- als auch bei der Dachgestaltung gut einsetzen, er stehe für Nachhaltigkeit, sei bezahlbar und, da häufig verbaut, mittlerweile für Linz fast schon ortstypisch.

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Es dauerte allerdings etwas, bis sich auch die Baufrau für diese Lösung erwärmen konnte, hatte Albine Scharrer doch zu diesem Material anfangs keinen rechten Bezug: „Ich war im Gegensatz zu meinem Lebensgefährten lange skeptisch und konnte mir anhand der Musterplatten nur schwer vorstellen, wie das an einer ganzen Hauswand aussieht.“ Also wurde kurzerhand ein Objekt in der Nähe besichtigt, das ebenfalls mit Titanzink verkleidet worden war. Was sie sahen, überzeugte die Bauleute. Resultat: Sie ließen das Team von Tp3 Architekten gewähren. Da Markus Rabengruber beabsichtigte, Dynamik in die ehedem belanglose Fassade zu bringen und parallel dazu mittels der Dachneigung eine zusätzliche Dramaturgie zu schaffen, ließ er das Obergeschoss quasi in Richtung Garten „kippen“ und versteckte die Dachrinne hinter dem nach links geneigten Blech. Die Zinkbahnen wurde jedoch nicht etwa senkrecht angeordnet, „denn das hätte nicht befriedigend ausgesehen“, so Rabengruber. „Also haben wir mit verschiedenen Schrägen und Rauten gespielt. Somit ergab sich eine ganz eigene Ästhetik.“

„Spannungsverhältnis, das man spüren sollte“

„Sehr froh, dass wir das so gewählt haben“, zeigt sich heute denn auch Baufrau Albine Scharrer: „Diese Holz-Zink-Kombination macht das Ganze sehr heimelig und warm, lädt zum Wohlfühlen ein.“ Architekt Rabengruber spricht in diesem Zusammenhang von einem „Spannungsverhältnis, das man spüren sollte: auf der einen Seite das Innenleben in Form von ‚weichem‘ Holz, daneben die schützende Hülle aus einem härteren Material“.

Um auch von Süden und Westen Licht in das Gebäude zu bringen, erhielt das Obergeschoss ein glasgedecktes 12-qm-Atrium, das selbst ein Drittel des offenen Wohnzimmers im Erdgeschoss noch erhellt. Das „Mädchenzimmer“ der Baufrau bekam zum Treppenhaus hin eine deckenhohe Glaswand samt Glastür, kann also das vom Atrium einfallende Licht komplett aufnehmen und ist dement-sprechend auch am Nachmittag noch taghell. Neben besagter Galerie beherbergt das umgestaltete 1. Stockwerk ein Schlafzimmer, einen Fitness-, einen Abstell- und einen Schrankraum, ein Bügelzimmer sowie ein Bad plus Toilette.

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Gestreckte Proportionen schaffen Dynamik

Das Highlight stellt jedoch die teilweise überdachte windgeschützte Terrasse dar, die die darunter liegende Küche mit Essbereich „deckelt“. Sie ist rund 44 qm groß, ihre betont gestreckten Proportionen verleihen dem gesamten Bau eine zusätzliche Dynamik. Eine neu geschaffene Wendeltreppe ermöglicht den direkten Zugang zum knapp 1.000 qm großen Garten mit seinem alten Baumbestand, der belassen wurde, wie er war, „weil uns dieses Wildromantische einfach gefällt“, wie es Albine Scharrer ausdrückt: „Das ist alles ein bisschen ursprünglich bei uns, wir haben ja keinen englischen Rasen und zupfen auch nicht jedes Grashälmchen heraus.“

Gefragt, wie denn nach Abschluss der Bauarbeiten die Reaktionen von Nachbarn, Freunden und Verwandten ausfielen, bilanziert Albine Scharrer: „Schon in der Bauphase blieben immer wieder Spaziergänger stehen, die ganz angetan waren und fragten, ob sie sich das mal ansehen dürften. Und auch heute noch werden wir, wenn wir im Garten arbeiten, von Fremden auf das Objekt angesprochen, weil das so toll geworden ist. Geteilte Meinungen gab es nie, nur positives Feedback.“ Und Architekt Rabengruber zeigt sich rückblickend froh darüber, dass die Baufrau und ihr Partner den ursprünglichen Altbau trotz seines desolaten Zustandes nicht einfach abreißen ließen und das Projekt letztlich trotz aller Widrigkeiten zu einem alle Seiten zufriedenstellenden Abschluss gebracht werden konnte, denn: „Grundsätzlich sollten Gebäude so lange wie möglich verwendet werden, weil so viel graue Energie drinsteckt – die MÜSSEN im Sinne der Nachhaltigkeit einfach lange leben. Das war früher die Maxime beim Bauen, und genau da müssen wir meines Erachtens auch wieder hinkommen.“

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